Fachwerkhaus an Fachwerkhaus, Nebel über den Bergen, über den schmalen
Gassen erhebt sich ein Schloss. Es ist abends und es dämmert bereits, als ich in
meinem langen, grauen Mantel von H&M aus dem Zug steige und die kühle
Mittelgebirgsluft in meine Nase dringt. Ich hieve den kleinen Koffer aus dem
Wagon, der Mann, der hinter mir aussteigt, zwinkert mir zu. Lieb lächle ich zurück,
er sieht nett aus. Hat angegraute Haare, eine spitze Nase, blaue Augen, ist
glattrasiert und trägt einen Frack. Justine hätte er sicher gefallen. Ich muss
schmunzeln, wäre seine Krawatte nicht so breit. Ich trete einen Schritt vom Zug
weg und recke meinen Kopf in Richtung Himmel. Die Luft ist feucht, aber nicht
kalt, der Himmel grau, die letzten Sonnenstrahlen lassen sich in der Ferne
erahnen. Es wird Regen geben. Aber in meiner Handtasche habe ich einen Schirm,
weiß mit schwarzen Punkten, ein süßes Geschenk. Einmal habe ich ihn vergessen,
in der Bahn und das vor einer wichtigen Semesterabschlussprüfung, zu der ich
beinahe zu spät gekommen wäre, weil ich alles in Bewegung setze, um meinen
Regenschirm wieder zu bekommen. Was ich am Ende auch tat, die Prüfung lief auch
gut. Manchmal hat man eben Glück.
Schon setzte der Regen ein. Aber ich wollte, dass er mein Gesicht kitzelte und
ließ die Tasche geschlossen. Hob die Hände gen Himmel, spürte das zarte
Platschen an den Fingerspitzen und merkte, dass mein Lächeln mich immer noch
nicht verlassen hatte.Als ich aus dem Bahnhof trat, wehte mit dem nun etwas stärkeren Regen, Lärm zu mir herüber. Lautes Gelächter, vermutlich nicht ganz unbetrunken, drang aus einem kleinen Pub. Abgesehen von allen anderen Häusern, die ich durch den Regen im gedämmten Licht der Straßenlaternen erahnen konnte, schien es das einzige zu sein, welches nicht im Fachwerkstil errichtet wurde. Es erinnerte eher an eine kleine Berghütte, oder ein Hexenhaus, wie es dort, umgeben von einem kleinen Garten, mitten auf der Wiese zwischen Dorf und Bahnhof stand. Holzlatte an Holzlatte wurde es zusammengehalten, die Fenster waren alt und vergilbt, man sah nichts, außer das leichte Flackern der Kerzen auf dem Sims. Ein schiefes Dach, mit Efeu bewachsen und einem rauchenden Schornstein, schloss das Ganze ab. Doch auch wenn es von außen eher ungemütlich aus sah, schloss ich darauf, dass es im Inneren wohl sehr lustig und gemütlich zugehen musste. Denn sobald die Tür erneut aufging, als ein älterer Herr mit Filzhut, viel zu groß für seinen kleinen Kopf, das Lokal betrat, konnte ich wieder schallendes Gefeixe hören. Ich sah auf meine Uhr, kurz nach acht. Ich hatte keine Zeit mehr, für einen kurzen Abstecher, denn die Vermieter meiner Ferienwohnung hatten beiläufig erwähnt, dass sie gern Donnerstag Abend um viertel zehn den "Komissar Kora" im Dritten sahen. Was ich als Aufforderung, sie bloß nicht davon abzuhalten, in dem ich zu spät kam, verstand.
Freundlich begrüßte er mich: "Guten Abend, sie müssen die junge Dame sein, die das Dachgeschoss gemietet hat?", ich verstand ihn kaum, denn er redet unheimlich leise und röchelte leicht.
...
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