02 Oktober 2016

Fachwerkhäuser


... "Sie möchten nicht darüber sprechen, warum sie alleine hier sind, oder?"


"Ist es nicht etwas spät, für ein Frühstück?", ich blickte auf. Vor mir stand ein älterer Herr, ich schätze ihn auf Anfang siebzig. Er trug einen Hut, eine Blousonjacke, wie sie auch mein Großvater mütterlicher seits tragen würde und eine hellblaue, ausgeblichene Levis. "Kann ich mich zu Ihnen setzen?"

"Oh natürlich.", ich rückte ein Stückchen weiter nach links und nahm meinen Rucksack von der Bank, um ihm mehr Platz zu machen. Freundlich erwiederte ich: "Und ja, ich habe heute verschlafen, normalerweise esse ich nicht so spät."


 



Er lachte und setzte sich. Als er nichts erwiderte, aß ich weiter. Der Wald war wie im Reiseführer versprochen, unbeschreiblich schön und gleichte wie dem Dorf einer Szene aus einem Märchen. Die Buchen, die über den gesamten Berghang, welcher über dem Dorf lag, wuchsen, waren viele Meter hoch. Sie erschienen mir wirklich unglaublich riesig zu sein. Sie ächzten im Wind, so dass ihre noch kleinen, aber leuchtend grünen Blätter geheimnisvoll raschelten. Die Sonne drang durch die lichten Baumkronen und tauchte alles in ein geheimnisvolles, warmes Licht. Hier und da flogen Kleiber und Gimpel auf, welche sich ein wildes Wettfliegen lieferten und dabei fröhlich zwitscherten, während am Boden die Schneeglöckchen den Blick auf das satgrüne Moos verdeckten. Über den Weg vor der schweren Rubinenholzbank liefen zahlreiche Insekten und es bildeten sich Ameisenstraßen. Alles schien sich auf den kommenden Sommer zu freuen und alles, was noch von der vorherigen Kälte und Dunkelheit zeugte, waren die letzten Laubblätter, welche nach und nach verwesten. 

Der Blick auf den Ort war unbeschreiblich. Die Schornsteine qualmten und man konnte die zahlreichen Hinterhöfe und Gärten sehen, welche sich hinter der Fassade der so altmodischen Stadt über die Hänge erstreckten. Sie begannen wieder zu blühen, man sah die Menschen arbeiten, die Kinder schaukeln und die Hunde über die Wiesen rennen, einfach so oder einem gigantischen Stock, geworfen von ihrem Besitzer, hinterher. Es faszinierte mich. Das rege treiben, jeder in seiner kleinen Welt, wo die Straßen doch so leer erschienen, im Gegensatz zu dem, was ich gewohnt war. Durch die kleine Stadt und rechts daran vorbei schlängelte sich ein kleines, flinkes Flüsschen, enstanden durch die zahlreichen Bäche, die an den Hängen gegenüber den Berg hinabstürzten. Alle vereint zu einem größeren Fluss, alle in die gleiche Richtung ströhmend, treibend. Alle gemeinsam. Zwischen ihnen standen Kühe und Ziegen, sowie Pferde auf den Wiesen, hier und da vernahm ich auch das leise Klappern einer Kuhglocke.



 Nach ein paar Minuten des Schweigens, in denen wir auf das Tal geschaut haben, spricht er erneut:"Dieser Ort, er kann einen schon verzaubern was?", auffordernd und mit einem breiten, zufrieden Lächeln, als würde er sich an alte Zeiten errinnern, wand er sich zu mir um. 

"Ja. Es ist wunderschön.", ich lächelte ihn an. Momente wie solche sollte es öfter geben. Begegnungen von zwei Menschen, die sich nicht kennen, aber sich nicht wie Luft behandeln. Die sich auf eine Bank setzen, gemeinsam. Weil es so viel schöner ist, als allein auf der einhundert Meter weiter zu sitzen. Man muss sich nicht unterhalten, ich muss mich nicht unterhalten, aber man kann ein Lächeln schenken. Ein echtes, freundliches, welches den anderen für einen kurzen Moment vergessen lässt, dass er allein ist. Ihm Wärme gibt und einen Grund auch zu lächeln, zurück zu lächeln. 



"Sie sind nicht von hier, oder? Ich habe sie noch nie zuvor hier gesehen und dabei lebe ich schon viele, viele Jahre hier.", und manchmal wurde aus einem Lächeln dann eine ernste Unterhaltung. Innerlich musste ich lachen, was war es doch für ein wunderschöner Morgen. 
"Nein, dass haben sie richtig erkannt. Ich komme nicht von hier.", ich lehnte mich zurück und streckte die Beine aus: "Ist es denn ungewöhnlich, dass man hier unbekannte Gesichter trifft? In jedem zweiten Haus scheint eine Ferienunterkunft zu sein und am Markt habe ich ein großes Hotel gesehen, da haben Sie doch sicher viele Gäste, oder?" 
Sein Blick glitt wieder über die weiten des Städtchen und er nickte: "Da haben sie ganz recht, aber allein? Nein so sieht man hier kaum jemanden. Wer fährt schon gern allein in den Urlaub? Die meisten Menschen, die hier ihre freie Zeit verbringen sind Familien oder Paare. Es kommt selten vor, dass jemand nur für sich den Weg hier her findet, schon garnicht ein so junger Mensch wie sie."




... "Sie möchten nicht darüber sprechen, warum sie alleine hier sind, oder?"



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